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Die Kinder ''von'' der Straße

Es ist praktisch unmöglich, genaue statistische Angaben über die Zahl der Straßenkinder in einem Land zu erhalten, wo sogar die Zahl der Einwohner nur geschätzt wird. Die nähere Untersuchung des Straßenkinderphänomens in Südafrika hat erst begonnen, und genauere Schätzungen existieren hauptsächlich für Johannesburg und Kapstadt. Erschwert werden solche Schätzungen schon durch die hohe Mobilität der Straßenkinder. Einige verbringen zum Beispiel den Sommer in Johannesburg und ziehen im Winter ins 500 Kilometer entfernte wärmere Durban. Die Verwendung von Kriminalstatistiken liefert ebenfalls keine akkuraten Daten, da oft ein Kind wegen Landstreicherei und Herumtreiberei (loitering) mehrmals im Jahr in verschiedenen Gebieten auffällt. Mehrfachtäter werden aber nicht separat aufgeführt, so daß aus der Zahl der Festnahmen keine Rückschlüsse auf die Zahl der Kinder möglich sind (Swart-Kruger/Donald, 1994, S.109). Eine Möglichkeit, Straßenkinder zu zählen, ist es, ihre Schlafplätze aufzusuchen, die sie aber in der Regel geheimhalten. Die eigentlichen Spezialisten für Straßenkinder, die Straßenkinderprojekte, führen selten genaue Statistiken, und es gibt auch keine zentrale Stelle, wo solche Statistiken gesammelt werden.

Die Angaben über die Zahlen der Straßenkinder in Südafrika schwanken zwischen 5.000 (Letlaka-Rennert, 1990, S.103) und 10.000 (Swart-Kruger/Donald, 1994, S.109). UNICEF und NCRC nennen die in Tabelle 3.1 gezeigten Zahlen für die einzelnen südafrikanischen Provinzen und die unabhängigen Homelands. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die gewalttätigen Auseinandersetzungen in den Townships die Zahl der Straßenkinder vergrößert haben. So wurden in Kwazulu und Natal 1991 ungefähr 300 Kinder sich selbst überlassen, was vermutlich auf die Unruhen in diesem Gebiet zurückführen ist (SAIRR, 1994, S.159).

Die Straßenkinder Südafrikas stammen alle aus der schwarzen oder coloured Bevölkerung, wobei es starke regionale Unterschiede gibt. In Johannesburg sind die große Mehrheit der Straßenkinder Schwarze, während in Kapstadt ungefähr 70% der Straßenkinder Coloureds sind (Richter, 1988, S.11-12). Es gab bis jetzt weder weiße noch indische Straßenkinder. Für die Weißen standen genügend Einrichtungen zur Verfügung. 1986 gab es für Weiße 76 registrierte Kinderheime, für Schwarze gab es elf (Peacock, 1994, S.139). Für weiße Kinder bestand daher keine zwingende Notwendigkeit, den Lebensunterhalt auf der Straße zu suchen. Die indische Bevölkerungsgruppe dagegen war durch das Apartheidsystem nicht im gleichen Maße betroffen wie die Schwarzen. Die traditionellen Großfamilien sind weitgehend noch intakt und bieten den Kindern dadurch mehr Schutz und Unterstützung. Auch sind die Lebensbedingungen der Inder besser als die der Coloureds und der Schwarzen.

In Südafrika sind Straßenkinder, wie in vielen anderen Ländern, hauptsächlich männlich. Nur 10% der Straßenkinder sind weiblichen Geschlechts (Richter, 1988, S.11). Die Gründe für diese Mißverhältnis sind noch nicht näher erforscht worden. Eine Erklärung wäre, daß Mädchen nicht so oft wie Jungen weggeschickt werden, da sie im Haushalt gebraucht werden. Deshalb werden sie auch eher als Jungen von Nachbarn oder Verwandten aufgenommen. Viele Mädchen arbeiten auch als Prostituierte und entsprechen so nicht mehr dem klassischen Erscheinungsbild eines Straßenkindes (Swart, 1988a, S.34). In Hillbrow und Yeoville, den Stadtteilen mit den meisten Straßenkindern in Johannesburg, habe ich nur ein einziges Straßenmädchen kennengelernt. Sie führte denselben Lebensstil wie die Straßenjungen und war Mitglied einer Gruppe von Straßenkindern. Sie kleidete und verhielt sich wie ein Straßenjunge, um nicht als Mädchen aufzufallen.

Männliche und weibliche Straßenkinder unterscheiden sich auch im Alter, in dem sie das Straßenleben aufnehmen. Straßenmädchen haben ein höheres Durchschnittsalter von 16 Jahren (Hansson, 1991, S.8) im Gegensatz zu 12,9 Jahren bei Straßenjungen (Cockburn, 1991, S.13).

Nach Schätzungen, die sich auf Befragungen von Straßenkindern stützen, beträgt die Dauer des Aufenthalts auf der Straße nur bei einem Drittel der Straßenkindern mehr als zwei Jahre. Ein Drittel der Straßenkinder bleibt nur zwischen ein paar Tagen und sechs Monaten auf der Straße, bevor sie nach Hause zurückkehren. Für das letzte Drittel beträgt diese Zeitspanne sechs bis achtzehn Monate (Richter, 1991b, S.7).


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Chris Pinkenburg
Fri Aug 23 21:56:28 CST 1996