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Die Zukunftsvorstellungen und Zukunftsaussichten

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Südafrikanische Straßenkinder führen zwar ein Leben außerhalb der Gesellschaft, aber ihre Einstellungen sind sehr konventionell. Viele wollen später heiraten, Kinder bekommen und mit ihrer Familie in einem gewöhnlichen Haus leben. Sie wollen keinesfalls, daß ihre zukünftigen Kinder selber Straßenkinder werden. Dies wollen sie durch die Schaffung eines hohen Lebensstandards verhindern oder, wenn das nicht ausreicht, auch durch harte Disziplin und körperliche Züchtigung (Schärf u.a., 1986, S.280).

Bilder, die Straßenkinder in Hillbrow zum Thema Zukunft malten, zeigen große Häuser mit getrennten Schlafzimmern für Eltern und Kinder und sind gefüllt mit Statussymbolen wie Fernseher, Stereoanlagen und einem Auto vor der Tür (Swart, 1990a, S.13). Sie wollen eine reguläre Arbeit haben, haben jedoch in Anbetracht ihrer niedrigen Schulbildung und geringen Ausdauer unrealistische Vorstellungen. Berufswünsche sind Polizist, Richter, Arzt, aber auch Maurer, Mechaniker oder Schriftmaler. Nur sehr wenige Kinder konnten sich als ungelernter Arbeiter sehen. Hier zeigt sich eine unrealistische Einschätzung von sich selbst und den Konsequenzen ihres Straßenlebens. Sie überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten, sich an geregelte und hierarchische Strukturen in der Arbeitswelt anzupassen.

Wie letzlich die Zukunftsaussichten für Straßenkinder in Südafrika aussehen, ist bis jetzt unerforscht. Ob sie im Gefängnis landen, frühzeitig sterben oder sich wieder in die Gesellschaft eingliedern und Arbeit im formellen oder informellen Sektor finden, ist für die Mehrheit der Straßenkinder unbekannt. Man würde erwarten, daß sie auch als Erwachsene weiter auf der Straße leben würden. Eine Umfrage unter Obdachlosen in Kapstadt zeigte aber, daß sich keiner von ihnen als ehemaliges Straßenkind bezeichnen würde. Die meisten von ihnen waren erst mit über dreißig auf die Straße gegangen. Nach diesen Untersuchungen gab es nur sehr wenige ''Straßenkinder'', die über zwanzig Jahre alt waren. Die Altersgrenze scheint bei ungefähr 25 Jahren zu liegen (Schärf u.a., 1986, S.282).

Eine Schlußfolgerung hieraus wäre, daß das Leben auf der Straße für Kinder nur eine Phase im Leben ist, auch wenn sie bei einigen Kindern sehr lange dauert. Wenn dies der Fall wäre, gibt es zwei Alternativen, mit dem Straßenkinderphänomen umzugehen. Die einfachste Möglichkeit wäre, Kinder diese Phase durchleben zu lassen, ohne zu intervenieren. Problematisch an diesem Ansatz ist, daß das Verhältnis der Gesellschaft zu den Straßenkindern wahrscheinlich immer schlechter würde, speziell unter dem Aspekt, daß die Zahl der Straßenkinder in Zukunft weiter zunehmen wird. Dadurch wird auch der Kampf um Ressourcen unter den Straßenkindern immer härter werden. Außerdem gibt es einen Zusammenhang zwischen intellektuellen und sozialen Defiziten der Kinder mit der Dauer, die sie auf der Straße verbracht haben (Richter, 1990, S.105). Mit der Dauer des Straßenlebens steigt auch die Wahrscheinlichkeit, ins kriminelle Milieu abzugleiten (Richter, 1988, S.13).

Die zweite Möglichkeit ist, aktiv zu intervenieren. Staatliche Interventionen bestehen leider meistens darin, die Kinder durch die Polizei einfangen zu lassen und sie dann in geschlossenen Heimen unterzubringen. Sinnvoller und humaner ist es, die Straßenkinder nicht prinzipiell als Kriminelle anzusehen, vor denen man die Gesellschaft schützen muß, sondern zu versuchen, sie zurück in die Gesellschaft zu integrieren. Dafür ist es nötig, ihnen Fähigkeiten zu vermitteln, die ihre Chancen erhöhen, auch in Zukunft eine selbständige Existenz führen zu können. Natürlich darf man dabei nicht die strukturellen und sozialen Ursachen des Straßenkinderphänomens ignorieren, und es muß auch auf der politischen Ebene kontinuierlich für Verbesserung der Lebenslage benachteiligter Bevölkerungsgruppen gearbeitet werden.


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Chris Pinkenburg
Fri Aug 23 21:56:28 CST 1996