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Der Drogenkonsum

Die große Mehrheit der Straßenkinder greifen zu Drogen, um das Leben erträglicher zu machen. In Südafrika benutzen sie hauptsächlich Lösungsmittel, Benzin oder Klebstoff. In verschiedenen Städten werden unterschiedliche Mittel bevorzugt. In Kapstadt ist es meistens Nitro-Verdünnung, in Durban Benzin und in Johannesburg Klebstoff (Jansen u.a., 1991, S.13). Dieser Klebstoff wird sogar von einigen skrupellosen Ladenbesitzern schon passend portioniert an Straßenkinder verkauft. Die Lösungsmittel werden in Plastiktüten oder leere Milchkartons gefüllt und durch den Mund eingeatmet. Welche Droge ein Straßenkind nimmt, wird jedoch letzlich durch den Preis und die Verfügbarkeit bestimmt.

Straßenkinder machen nur selten Gebrauch von Alkohol oder gefärbtem Spiritus (wegen seiner Farbe ''blue train'' genannt), der von erwachsenen Obdachlosen bevorzugt wird. In Johannesburg lehnen die meisten Straßenkinder Alkohol aus moralischen Gründen ab. Viele machen den Alkoholmißbrauch ihrer Eltern für ihr Straßenleben verantwortlich (Jansen u.a., 1990, S.153). In Hillbrow rauchen auch einige der älteren Straßenkinder ''dagga'' (Marihuana). Ein paar Kinder haben mit Mandrax (Methaquilone), einem verschreibungspflichtigen Schmerzmittel, experimentiert (Swart, 1990a, S.92). Der Gebrauch harter Drogen ist bis jetzt bei südafrikanischen Straßenkindern kein Problem.

Obwohl die Mehrheit der Straßenkinder Drogen nehmen, werden nur wenige davon abhängig, wobei jüngere Kinder mit größerer Wahrscheinlichkeit süchtig werden (Richter, 1990b, S.7). Die Kinder behaupten, sie schnüffelten den Klebstoff (''smoking glue'') hauptsächlich, um Kälte, Hunger und Einsamkeit zu vergessen. Daß der Rauscheffekt nur eine untergeordnete Rolle spielt, zeigt sich auch in der Tatsache, daß Kinder in einem Shelter meist nach relativ kurzer Zeit das Klebstoffschnüffeln freiwillig aufgeben. Bei einigen Kindern treten dann Entzugserscheinungen auf (Jansen u.a., 1990, S.153).

Klebstoffschnüffeln kann Depressionen verursachen, da Gefühle von Trauer, Verlangen und Verlust intensiviert werden. Zum Teil werden auch Aggressionen verstärkt. Es führt manchmal zu lebhaften Halluzinationen, die zum Teil als absolut erschreckend empfunden werden (Swart, 1990a, S.86). Aufgrund der durch das Klebstoffschnüffeln eingeschränkten Muskelkontrolle und -koordination sind Straßenkinder oft an Unfällen im Straßenverkehr beteiligt. Aus einer Gruppe von 52 Straßenkindern in Johannesburg, die regelmäßig Klebstoff schnüffelten, hatten mehr als die Hälfte schon einen Verkehrsunfall gehabt (Swart-Kruger/Donald, 1994, S.117). Fast die Hälfte aller Unfälle und Verletzungen geschieht, während sie im Rauschzustand sind (Richter, 1991b, S.7). Ein Straßenkind erzählte folgendes: ''If you take the glue to sleep well, you don't wake up easily. Last of last night I took the glue and went to sleep by the fire... When I woke up my hand was burning in the fire. Maphathaphatha (ein Wohltäter) took me to the Hillbrow Hospital'' (Swart, 1990a, S.85). Viele Straßenkinder haben Kopfverletzungen, entweder als Resultat von Unfällen oder wegen Mißbrauchs auf der Straße oder zu Hause (Lewis, 1993, S.8; Jansen u.a., 1990, S.153; Richter, 1991b, S.7)

Andere Nebenwirkungen des Klebstoffschnüffelns sind nach den Berichten der Straßenkinder Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit, Herzrhythmusstörungen, Hals-, Augen- und Brustschmerzen (Jansen u.a., 1990, S.153). Außerdem werden Mund- und Nasenschleimhäute stark angegriffen. Tests über kognitive und neuropsychologische Defizite ergaben trotzdem keine signifikanten Unterschiede zwischen Straßenkindern, die regelmäßig Klebstoff geschnüffelt hatten, und solchen, die keine Abhängigkeit zeigten. Betreuer im Shelter beobachteten bei Klebstoffschnüfflern aber im Vergleich zu anderen Kindern ein auffälligeres Verhalten, größere Ängste und größere zwischenmenschliche Probleme (Jansen u.a., 1991, S.14).


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Chris Pinkenburg
Fri Aug 23 21:56:28 CST 1996