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Der historische Hintergrund der Apartheid

Apartheid als herrschende Ideologie existiert in Südafrika offiziell erst seit 1948. Die Wurzeln dieses Systems liegen aber schon in der frühen Geschichte der Weißen in Südafrika begründet.

1487 wurde das Kap der Guten Hoffnung von dem Portugiesen Bartolomeu Diaz entdeckt. Nach der Entdeckung des Seeweges nach Indien zehn Jahre später wurde der Naturhafen des heutigen Kapstadt zu einer wichtigen Zwischenstation. Dort konnten sich die Schiffsbesatzungen erholen, und die Lebensmittelvorräte wurden durch Tauschhandel mit den Eingeborenen aufgestockt. Auch die Engländer und Holländer, die um 1600 die Portugiesen aus dem Gewürzhandel verdrängt hatten, benutzten diesen Naturhafen auf der Durchreise nach Indien. Zu dieser Zeit wurde das südliche Afrika von den in Tabelle 2.1 aufgeführten Volksgruppen bewohnt.

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Die entscheidende Wende im bis dahin friedlichen Verhältnis zwischen Europäern und den Eingeborenen kam 1652. Der Holländer Jan van Riebeeck errichtete mit 80 Angestellten der holländischen Ostindien-Kompanie eine permanente Versorgungsstation. Der Aufbau einer selbstständigen Kolonie war anfangs nicht geplant, und das Vieh sollte weiterhin von den Einheimischen gekauft werden. Die Versorgung mit anderen Lebensmitteln versuchte Van Riebeeck durch intensive Landwirtschaft sicherzustellen, was aber an den klimatischen Bedingungen scheiterte. Ein weiteres Problem war die mangelnde Bereitschaft der Khoikhoi, genügend Vieh zu verkaufen. Die nötige Umstellung auf extensive Landwirtschaft war aber mit dem Konzept einer räumlich eng begrenzten Versorgungsstation nicht durchführbar. Daraufhin gab die Kompanie ihren Widerstand auf und entließ neun Angestellte als Freibürger. Sie siedelten sich östlich des Tafelberges bei Kapstadt an und betrieben erfolgreich Viehzucht. Dieses bedeutete für das Kapgebiet endgültig den Übergang von einer Zwischenstation zur Kolonie. Trotzdem war das Kap zuerst kein klassisches Einwanderungsland. Zwar wurden zur Steigerung der Lebensmittelproduktion einige Siedler aus Holland, Deutschland und Frankreich an das Kap geholt, aber die Bevölkerung vermehrte sich nur langsam.

Zur Verrichtung der Schwerarbeit wurden ab 1657 Sklaven aus Afrika und Asien importiert und an die Siedler verkauft. Dies führte im Laufe der Zeit zur Verachtung körperlicher Arbeit, eine Einstellung, die bis heute unter den Weißen in Südafrika weitverbreitet ist. 1747 schrieb der Gouverneur des Kaps: ''...die Mehrheit der Bauern in dieser Kolonie sind keine Bauern im eigentlichen Sinn..., viele von Ihnen halten es für eine Schande, mit eigenen Händen Arbeit zu verrichten.''(Weiss, 1986, S.35).

Die offensichtliche Intention der Siedler, auf ihrem Stammesgebiet ansässig zu werden, wurde von den Khoikhoi mit zunehmender Beunruhigung beobachtet. Viehdiebstähle und Landenteignung seitens der Siedler trugen zu einer rapiden Verschlechterung des Klimas bei. So bricht 1659, nur sieben Jahre nach der Gründung der permanenten Versorgungsstation, der erste Krieg zwischen Siedlern und Eingeborenen aus. Obwohl die Khoikhoi diesen ersten Krieg gewannen, konnten sie ihren Untergang nicht lange aufhalten. Es folgten noch mehrere Kriege, die sie wegen schlechterer Bewaffnung verloren. Nach und nach verloren sie ihr Vieh, verarmten und wurden getötet oder in sklavenähnliche Verhältnisse in den Dienst der Siedler gezwungen. Auch von den Siedlern eingeschleppte Krankheiten, wie die Pocken, forderten viele Opfer unter der einheimischen Bevölkerung.

Die Zahl der weißen Viehzüchter dagegen nahm rasch zu. Die Suche nach mehr Weideland trieb sie immer weiter nach Osten. Diese Siedler nannten sich selbst Trekburen und können als die Urväter der heutigen konservativen Weißen im Inland von Südafrika gesehen werden. Opfer dieser Entwicklung waren die San, die systematisch verfolgt und getötet wurden. Es war sogar zeitweilig ein Kopfgeld von drei Gulden ausgesetzt.

Zwischen 1700 und 1770 drangen die Trekburen immer weiter ins Inland vor, wo sie auf die Xhosa stießen. Auch mit diesen hatten sie zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen. Das Gebiet der Kapkolonie erstreckte sich schließlich 800 Kilometer nach Osten und 400 Kilometer nach Norden. Obwohl unwillig, waren die Trekburen gezwungen, Kontakt mit der Kompanie zu halten. Sie bestand auf ihrem Monopol, mit den vorbeisegelnden Schiffen zu handeln und war deshalb der einzige Abnehmer für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Im Inneren des Landes jedoch machten die eigenwilligen Trekburen, was immer sie für richtig hielten.

1706 wurde die Einwanderung in die Kapkolonie gestoppt, und im Laufe der folgenden Jahrhunderte wuchsen die aus verschiedenen Nationen stammenden Europäer zum Volk der Buren zusammen. Sie entwickelten mit Afrikaans eine eigene Sprache und nannten sich selbst Afrikaaner. Die Trekburen, die sich in der Zwischenzeit völlig von Europa gelöst hatten, unterschieden sich aber von den Kapburen in ihrer Weltanschauung und durch ihren einfachen Lebensstil. Sie hatten wenig Kontakt zur Außenwelt und blieben Konservative. Die Kapburen dagegen waren in der Regel wohlhabender und liberaler als die Trekburen.

1806 übernahmen die Briten die Macht am Kap und führten ihr Rechtssystem ein. Der Sklavenhandel wurde verboten, und die von den Holländern importierten Sklaven wurden freigelassen und formal mit ihren vorherigen Herren rechtlich gleichgestellt. Mit dieser neuen sozialen Ordnung und dem Verlust ihres ''Eigentums'' waren viele Buren nicht einverstanden. Etwa 14.000 von ihnen entschieden sich, das Kapgebiet zu verlassen und zogen auf Ochsenwagen mit ihrem gesamten Hab und Gut weiter ins Inland.

Dieser ''Große Treck'' (1835 - 1843) hatte von vornherein auch eine ideologische und religiöse Dimension, und das historische Selbstverständnis der heutigen Afrikaaner basiert größtenteils auf ihm. Die Voortrekker, wie sie sich nannten, glaubten, das erwählte Volk Gottes zu sein. In ihren Augen waren die Schwarzen die Nachkommen des verstoßenen Sohnes Noahs und daher die Trennung von Schwarzen und Weißen gottgegeben. Aus dieser Interpretation der Bibel folgte auch, daß die Schwarzen dem auserwählten weißen Stamm zu dienen haben. Der ''Große Treck'' wurde von den Buren selbst als Suche nach dem ''gelobten Land'' gesehen. Er hatte aber auch die Bedeutung einer Bewährungsprobe, da sie sich sowohl gegen die Umwelt als auch in vielen Gefechten gegen eine große Übermacht feindlicher schwarzer Stämme durchsetzen mußten (Michler, 1991, S.240-243)

1848 schließlich besiegten 460 Voortrekker eine Armee von 12.000 mit Speeren bewaffneten Zulukriegern am Ncome-Fluß. Bei dieser Schlacht, die als ''Battle of the Blood River'' in die burische Geschichte einging, wurden ohne eigene Verluste 3.000 Zulus getötet. Dieses wurde als der letzte Beweis der eigenen Überlegenheit gewertet, und dieser Tag war bis vor kurzem ein quasi religiöser Nationalfeiertag. Danach war der Widerstand der schwarzen Stämme gebrochen, und die Voortrekker gründeten die Republik Natalia.

1845 annektierten die Briten diese Republik und machten sie zu einer Kronkolonie. Die Buren zogen wieder weiter ins Landesinnere und gründeten dort zwei neue Republiken, den Oranje-Vrystaat und die Südafrikanische Republik in Transvaal. Wie vorher in Natalia herrschte hier das Grundprinzip, daß es keine Gleichheit von weiß und schwarz, weder im Staat noch in der Kirche, geben könne (Wilke-Launer/Kühne, 1993, S.427).

Aber es waren die Briten in Natal, die 1847 erstmals die territoriale Trennung von Schwarzen und Weißen durch die Schaffung von Reservaten einführten. Auf der anderen Seite gab es in ihrem Einflußbereich von 1853 an ein von der Hautfarbe unabhängiges Wahlrecht. Dieses war aber an Einkommen und Besitz gebunden, und in Natal mußten Schwarze sogar zusätzlich nachweisen, daß sie Christen waren. Später wurde noch die Bedingung gestellt, daß sie ''europäisiert'' sein mußten, d.h. nicht mehr den traditionellen Lebensstil führten. Diese Einschränkungen hatten zur Folge, daß in ganz Natal zwischen 1865 und 1903 nur zwei Schwarze wahlberechtigt waren (Wilke-Launer/Kühne, 1993, S.427).

Die Entdeckung von Diamanten in Kimberley (1867) und Gold in Johannesburg (1886) eröffnete ein neues wirtschaftliches Zeitalter mit einem tiefgreifenden Einfluß auf die damalige Gesellschaft. Geld floß ins Land, um die neuen Minen aufzubauen, und der Bedarf an Arbeitskräften stieg drastisch an. Diese dringend benötigten Arbeitskräfte befanden sich in den eingerichteten Reservaten, in die immer mehr Schwarze nach den Eroberungskriegen der Weißen abgeschoben worden waren. Da die Reservate ihre Bewohner aber kaum ernähren konnten und die Weißen zusätzlich hohe Steuern verlangten, waren viele arbeitsfähige Schwarze gezwungen, Arbeit in den Städten und in den Minen zu suchen. Zur besseren Kontrolle der Schwarzen außerhalb der Reservate mußten Schwarze schon von 1872 an einen Paß mit einer Aufenthaltsgenehmigung tragen. Die Unterbringung der schwarzen Arbeiter erfolgte in kasernenähnlichen Unterkünften (Hostels), die in der Nähe der Minen und Fabriken gebaut wurden. Hier liegt der Ursprung des Wanderarbeitersystems, mit dessen negativen Auswirkungen Südafrika heute zu kämpfen hat. Zwischen den Bewohnern dieser immer noch existierenden Hostels und den Bewohnern der umliegenden Townships kommt es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen.

Die Beziehungen zwischen der britischen Kronkolonie und den Burenrepubliken wurden aufgrund wirtschaftlicher Interessen immer feindseliger. Im Oktober 1899 erklärten die Buren den Briten den Krieg, der 1902 mit der Niederlage der Burenrepubliken endete. Trotzdem versöhnten sich Buren und Briten später auf der Basis ihres gemeinsamen Interesses an den Bodenschätzen und 1910 wird die Südafrikanische Union, das heutige Südafrika, aus den zwei britischen Kronkolonien (Kap und Natal) und den beiden Burenrepubliken (Oranje Vrystaat und Transvaal) gegründet.

1913 wurde mit der Erlassung des ''Land Acts'' Schwarzen offiziell verboten, Land außerhalb der Reservate zu besitzen. Dieses Gesetz galt aber auch für landlose Buren, die deshalb nicht mehr als Pächter auf Farmen von Großgrundbesitzern leben durften. Viele von ihnen zogen daraufhin in die Städte, wo sie eine arme weiße Klasse bildeten, die zum sozialen Problem wurde.

Einige dieser Buren fanden Arbeit in den Minen, wo sie in direkter Konkurrenz zu den billigeren schwarzen Arbeitskräften standen. Durch Streiks setzten sie durch, daß Schwarze von den qualifizierteren Arbeiten ausgeschlossen wurden. Zusätzlich wurden Arbeitgeber mit der Verabschiedung der ''Civilised Labour Policy'' seit 1924 gezwungen, Weiße anstatt Schwarzer einzustellen. Dieses führte während der Wirtschaftsdepression der dreißiger Jahre dazu, daß viele Schwarze entlassen wurden, um Platz für Weiße zu schaffen.

Der zweite Weltkrieg führte zu einem Ausbau der Industrie und damit zu einem steigenden Bedarf an Arbeitskräften aus allen ethnischen Gruppen. Eine weniger strikte Durchsetzung der diskriminierenden Gesetze förderte den raschen Zuzug Schwarzer in die Städte. Der Konkurrenzkampf zwischen Schwarzen und armen Weißen um Arbeit und Wohnraum verstärkte sich wieder. Eine zusätzliche existentielle Bedrohung ging von den inzwischen gut organisierten schwarzen Gewerkschaften und den politischen Forderungen des 1912 gegründeten African National Congress (ANC) nach demokratischen Reformen und gleichem Stimmrecht aus. Unter diesen Bedingungen konnte 1948 die Nationale Partei mit ihrem Programm für eine strikte Rassentrennung die Wahl knapp gewinnen.

Im Juni 1948 bildete D.F.Malan eine neue Regierung, die ausschließlich aus Afrikaanern bestand. Sie widmete sich in den folgenden Jahren der systematischen Einführung der Apartheid. Die Apartheid war für sie der einzige Weg, den Fortbestand des ''weißen Volkes'' sicherzustellen. Sie glaubten aber auch, daß ''getrennte Entwicklung'' den nicht-weißen Völkern ermöglichen würde, ihre kulturelle und religiöse Identität besser zu entfalten. ''Apartheid wurde als das einzige Mittel angesehen, mit dem das Weiterleben einer weißen südafrikanischen Nation geschützt werden kann, und als die einzige Garantie für Frieden in einem multinationalen Land, weil es die Möglichkeit für eine echte und volle Entwicklung der nichtweißen Völker bietet.'' (Südafrikanische Botschaft, o.J., S.30-31). Politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung sollte es aber nicht geben, was auch mit theologischen Argumenten gerechtfertigt wurdegif. Auch wenn es für Nicht-Südafrikaner unglaublich klingt, gelang es der Regierung, im Laufe der Jahre ein in sich logisches und konsequentes Gesetzeswerk zu produzieren, mit dem die Apartheid in die Realität umgesetzt werden konnte.


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Chris Pinkenburg
Fri Aug 23 21:56:28 CST 1996