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Die legalen Aspekte der Apartheid

Zuerst mußten Kriterien gefunden werden, anhand derer sich die verschiedenen Rassen klar voneinander trennen ließen. Hierzu wurde 1950 der Population Registration Act erlassen und eine Behörde gegründet. Dieses ''Amt für Rassenklassifizierung'' teilte die Bevölkerung Südafrikas in Weiße, Farbige und Schwarze ein. Die Farbigen wurden weiter in Asiaten, Inder, Kap-Malaien und Mischlinge unterteilt. Japaner wurden aber im Gegensatz zu Chinesen nicht als Asiaten klassifiziert. Auf Druck der japanischen Regierung erhielten sie den Status von Ehrenweißen. In zweifelhaften Fällen wurde die Rasse einer Person über Faktoren wie Herkunft, Körpermerkmale (Farbe und Struktur der Haare, Lippen, Fingernägel), Aussprache, Gewohnheiten, gesellschaftliche Akzeptanz und Bildung bestimmt (McLachlan, 1984, S.8-9). Umklassifizierungen von Personen kamen häufiger vor, besonders wenn die Rassenkriterien wieder geändert worden waren.

Die augenfälligste Konsequenz der Apartheid, die geographische Trennung der Wohngebiete, geht auf den Group Areas Act von 1950 zurück. Eine direkte Folge dieses Gesetzes waren massive Zwangsumsiedlungen, um bestehende Wohngebiete zu ''entmischen''. Zwischen 1960 und 1980 mußten deshalb über zwei Millionen Menschen (5%-10% der Bevölkerung!), darunter konsequenterweise auch ein paar Weiße, den Wohnort wechseln (Khumalo, 1985, S.194). Auch nach einer der vorher erwähnten Umklassifizierungen mußten die betroffenen Personen umziehen. Durch diese räumliche Trennung wurde schon die Anbahnung von Kontakten zwischen Angehörigen verschiedener Rassen effektiv verhindert. Der Zutritt zu den Wohngebieten anderer Rassen war - auch für Weiße - nur mit einer schriftlichen Genehmigung erlaubt.

Auch der Intimbereich der Südafrikaner wurde von der Apartheid nicht verschont. Die freie Wahl des Ehepartners wurde 1950 durch den Prohibition of Mixed Marriages Act auf eine Person der eigenen Rasse eingeschränkt. Der Immorality Act schließlich verbot auch den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Personen verschiedener Rassengruppen. Die Polizei versuchte tatsächlich auch dieses Gesetz durchzusetzen und machte bei entsprechendem Verdacht spontane Hausdurchsuchungen (Wilke-Launer/Kühne, 1993, S.430). Auf eine Anfrage im Parlament antwortete der damals zuständige Justizminister F.C.Erasmus, daß 1957 insgesamt 2.058 Personen wegen Verstößen gegen dieses Gesetz angeklagt worden waren.

Der Bantu Education Act von 1952 legte ein minderwertiges Schulsystem für Schwarze fest. Unterrichtet wurde in den ersten Schuljahren in der eigenen Stammessprache und erst dann in Englisch. So wurde sichergestellt, daß Schwarze die englische Sprache im allgemeinen schlechter beherrschen als Weiße und schon von daher von höheren Posten ausgeschlossen waren. Der damalige Minister für Eingeborenenfragen Hendrik Verwoed rechtfertigte das neue Bildungswesen für Schwarze mit der Erklärung: ''Da ein Afrikaner ohnehin in der südafrikanischen Gesellschaft keinen Platz oberhalb gewisser Bereiche von Arbeit erwarten könne, sollte seine Erziehung bei ihm Respekt für körperliche Arbeit erzeugen'' (Ainslie, 1981, S.8). 1959 wurde nicht-weißen Studenten der Zugang zu den Universitäten verboten, die bis dahin allen Rassen offengestanden hatten. Stattdessen wurden ''farbige'' Universitäten eingerichtet. 1980 gab es in Südafrika zehn weiße Universitäten, drei für Schwarze, je eine für Coloureds und Inder und eine Fernuniversität, die allen Rassen zugänglich war.

Mit dem Erlaß des Reservation of Seperate Amenities Act im Jahr 1953 durften sich Angehörige verschiedener Rassen nicht mehr im gleichen Restaurant, Hotel, Strand, Bus oder Zug aufhalten. Sogar öffentliche Toiletten, Parkbänke und Krankenwagen waren nicht farbenblind. Im täglichen Leben bedeutete dies zahlreichere und bessere Einrichtungen und Dienstleistungen für die Weißen.

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Abbildung:   Die alltägliche Apartheid: Getrennte Erfrischungsstände am Bahnhof (Magubane, 1979, S.81).

Die Einführung der Rassentrennung in der Arbeitswelt gestaltete sich etwas schwieriger, weil die Industrie und die weiße Gesellschaft auf die billigen schwarzen Arbeitskräfte angewiesen waren. Die Regierung aber war entschlossen, nur die Schwarzen, die für die Weißen von Nutzen waren, in die weißen Gebiete zu lassen. Die Paßgesetze, die seit 1923 in Kraft waren, wurden 1952, 1955 und nochmals 1956 verschärft. Ab dem 16. Lebensjahr mußten Schwarze ständig ein Paßbuch mit sich führen. Es enthielt die persönlichen Informationen über den Eigentümer, die Aufenthaltsgenehmigung und den Stand der bezahlten Steuern. Im Paßbuch der schwarzen Frauen war zusätzlich der Name und die Paßnummer ihres Ehemannes, Vaters oder Erziehungsberechtigten aufgeführt. Eine Aufenthaltserlaubnis bekamen nur diejenigen, die Arbeit hatten. Schwarze auf der Suche nach Arbeit durften nicht länger als 72 Stunden in weißen Gebieten bleiben. Die Pässe mußten auf Verlangen gezeigt werden. Zwischen 1948 und 1974 fanden über 10,5 Millionen Verfahren wegen Verstößen gegen die Paßgesetze statt (Zentrum der Vereinten Nationen, 1986, S.56). Statistisch wurde 1982 alle 2,5 Minuten ein Schwarzer deswegen festgenommen (SAIRR, 1983, S.262).

1956 dehnte der Industrial Conciliation Act die Reservierung von Arbeitsplätzen vom Bergbau auf alle Bereiche der Industrie aus. Damit waren bestimmte Arbeiten generell für bestimmte Rassen reserviert. Die Zahl gelernter schwarzer Arbeiter blieb niedrig, und man sicherte sich ein großes Reservoir schwarzer Hilfsarbeiter.

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Abbildung:  

Homelands in Südafrika nach (Institute of African Studies, o.J.) Insgesamt wurden zehn Homelands eingerichtet, von denen vier (Bophuthatswana, Transkei, Ciskei und Venda) die formelle Unabhängigkeit erhielten. Diese Homelands hatten eine eigene Gesetzgebung und eine ihrer Einnahmequellen waren Spielkasinos. Sun City in Bophuthatswana ist das bekannteste unter ihnen. Nach den freien Wahlen im April 1994 wurden die Homelands aufgelöst und wieder in Südafrika integriert.

Die bis zu diesem Zeitpunkt erlassenen Gesetze hätten für eine ''Politik der getrennten Entwicklung'' ausgereicht. Langfristig plante die Regierung jedoch, ein rein-weißes Südafrika zu schaffen, in dem die Schwarzen lediglich Gastarbeiter sein sollten. Den Anfang bildete 1959 das Gesetz über die Förderung der Selbstregierung und Selbstverwaltung der existierenden Reservate. Diese sogenannten Bantustans wurden hiermit zu den in Abbildung 2.3 gezeigten Homelands der verschiedenen Stämme deklariert. 1970 erließ die Regierung ein Gesetz, das jeden Schwarzen zu einem Staatsbürger eines der zehn Homelands machte, unabhängig davon, ob die Person dort lebte oder nicht. Die Zuordnung zu einem Stamm erfolgte mehr oder weniger willkürlich anhand der Muttersprache. Vier dieser Homelands, die Transkei (1976), Bophuthatswana (1977), Venda (1979) und die Ciskei (1981), erhielten formell die Unabhängigkeit. Die Bürger dieser ''unabhängigen'' Homelands verloren dadurch automatisch die südafrikanische Staatsbürgerschaft. Das Ziel dieser Politik faßte 1978 Connie Mulder, der damalige Minister für schwarze Angelegenheiten, vor dem weißen House of Assembly zusammen: ''Every black man in South Africa will be accomodated in some independent state ... and there will no longer be a moral obligation on this parliament to accomodate these people politically'' (Africa Research Bulletin, 1992, S.10724). Auf diesem formaljuristischen Weg sollte versucht werden, den Zorn der internationalen Staatengemeinschaft zu besänftigen.

Eine Politik, die so auf Unrecht und Diskriminierung basierte, brauchte eine Reihe von Gesetzen, um auftretenden Widerstand im Keim ersticken zu können. Der Suppression of Communism Act (1950) verbot die Unterstützung des Kommunismus, wobei Kommunismus so weit definiert wurde, daß er fast jede Opposition zur Apartheid umfaßte. Jeder Kommunist konnte Opfer eines breiten Spektrums von Repressalien werden. Der Justizminister hatte zum Beispiel die Möglichkeit, eine Person zu bannen. Dieser Bann beinhaltete genauer spezifizierte Restriktionen der persönlichen Freiheit, wie ein Publikationsverbot, Hausarrest, Versammlungsverbot, wobei eine Versammlung jede Gruppe mit mehr als zwei Personen bedeutete. Eine gebannte Person durfte auch nicht zitiert werden. Dieser mit Vorliebe gegen Intellektuelle eingesetzte Bann wurde für eine Dauer von zwei bis fünf Jahren verhängt. Zwischen 1950 und 1978 wurden insgesamt 1.400 Personen gebannt (Wilke-Launer/Kühne, 1993, S.433).

1960 wurden mit dem Erlaß des Unlawful Organisations Act alle politischen Organisationen verboten, die das Apartheidsystem nicht unterstützten. Der African National Congress (ANC) und der Pan African Congress (PAC) arbeiteten daraufhin im Untergrund weiter.

1963 erweiterte der General Law Amendment Act die Machtbefugnisse der Polizei und machte die willkürliche Festnahme einer Person möglich. Der bloße Verdacht, daß jemand wichtige Informationen besitzen könnte, oder daß er die Sicherheitsgesetze übertreten wollte, genügte für eine Festnahme ohne Haftbefehl. Es war möglich, jemanden für 90 Tage festzuhalten. Eine gängige Praxis war, Verdächtige nach einer formalen Entlassung noch im Polizeirevier nochmals für 90 Tage festzunehmen. Zwei Jahre später trat ein Gesetz in Kraft, das diese Zeitspanne von 90 Tagen auf 180 Tage verlängerte.

Der Terrorism Act von 1967 gestattete schließlich die Einzelhaft von Personen ohne Gerichtsverfahren, die etwas über terroristische Aktivitäten wissen könnten. Faktisch bedeutete das, daß die Polizei ohne Angst vor Konsequenzen Gefangene foltern und sogar töten konnte. In Johannesburg kam es immer wieder vor, daß Gefangene ''stolperten'' und aus dem zehnten Stock des dortigen Untersuchungsgefängnisses John Vorster Square stürzten oder ''Selbstmord'' begingen. Die Polizei war auch nicht verpflichtet, Kontakt mit den Angehörigen neu Inhaftierter aufzunehmen. Die Inhaftierten hatten auch keinen Anspruch auf Rechtsbeistand. Kinder blieben von diesen polizeilichen Maßnahmen nicht verschont und selbst acht- bis neunjährige saßen in Einzelhaft, ohne daß die Eltern benachrichtigt wurden.

Die Pressefreiheit wurde durch mehr als 100 Gesetze und Verordnungen eingeschränkt. Bücher und Filme wurden zensiert oder einfach ganz verboten, darunter auch eigentlich harmlose Filme wie The Wall von Pink Floyd. Er war ursprünglich völlig verboten worden, und die Fassung, die 1990 in die Kinos kam, war immer noch um ungefähr 20 Minuten gekürzt worden. Bevorzugtes Ziel staatlicher Repressalien waren Journalisten, die dem Apartheidsystem kritisch gegenüberstanden.

In den siebziger und achtziger Jahren wuchs trotz massiver Repressionen der Widerstand der schwarzen Bevölkerung gegen das Apartheidsystem. Hinzu kamen ab 1986 die internationalen Sanktionen gegen Südafrika. Die Folge war eine wirtschaftliche Krise, und die Unternehmen drängten die Regierung, Reformen einzuleiten. Die Regierung unter P.W.Botha kündigte daraufhin mit dem Schlagwort ''We must adapt or die'' Reformen an. Die Apartheid selbst sollte aber nicht beseitigt werden, sondern nur für Nicht-Weiße erträglicher gemacht werden. Regierungschef P.W.Botha definierte seine Idee der Reformen: ''I'm giving you a final warning; one man one vote in this country is out - that is, never!'' (Frederikse, 1986, S.51). Die Paßgesetze wurden abgeschafft und Schwarze, die für die Wirtschaft unentbehrlich waren, erhielten Daueraufenthaltsgenehmigungen, um ihnen mehr Sicherheit zu geben. Unqualifizierte Schwarze wurden aber weiterhin in die Homelands deportiert, und gegen die Unterbringung oder Beschäftigung von Schwarzen ohne Aufenthaltsgenehmigung gab es strenge Bestimmungen. Durch diese Einteilung in qualifizierte und unqualifizierte Schwarze versuchte die Regierung, einen Keil in die Einigkeit der schwarzen Bevölkerung zu treiben. Diese Absicht stand auch hinter einigen Reformen, die die Entstehung einer kleinen schwarzen Mittelschicht ermöglichten. Gesetze wurden z.B. dahingehend geändert, daß sich unentbehrliche Schwarze in den Townships Häuser und Grundstücke kaufen konnten. Schwarze Kleinunternehmer wurden mit Krediten gefördert, und die Reservierung von Arbeitsplätzen für bestimmte Rassen wurde komplett abgeschafft. Im April 1985 wurde der Immorality Act und der Prohibition of Mixed Marriages Act abgeschafft. Von den meisten öffentlichen Einrichtungen wurden die ''Whites Only'' Schilder entfernt.

Die Unterstützung der nicht-weißen Bewohner Südafrikas versuchte sich die Regierung durch eine Verfassungsreform zu erkaufen. Die neue Verfassung, die im September 1984 in Kraft trat, sah je eine Kammer für Weiße, Coloureds und Inder vor. Die weiße Vorherrschaft war aber durch das Zahlenverhältnis der Abgeordneten von 4:2:1 gesichert. Diese neue Verfassung führte zu heftigen Unruhen unter den Schwarzen, und die Polizei verlor die Kontrolle über die Townships der schwarzen Bevölkerung. Militante Jugendliche übernahmen dort die Macht und setzten ihre eigenen Vorstellungen von Recht und Ordnung durch. Sie setzten Schulen, Busse und Geschäfte in Brand und töteten diejenigen, die im Verdacht standen, mit der Polizei zu kollaborieren. Sie zwangen Townshipbewohner - teilweise auch mit Gewalt - sich an den Boykotten weißer Geschäfte zu beteiligen. Daraufhin verhing die Regierung den Ausnahmezustand.

Es war aber abzusehen, daß die Apartheid schon aus finanziellen Gründen nicht aufrechterhalten werden konnte. Die Wirtschaft litt unter den internationalen Sanktionen, und die Sicherheitskräfte waren endgültig nicht mehr in der Lage, den illegalen Zuzug aus den Homelands zu unterbinden. P.W.Botha wurde überredet zurückzutreten und F.W.deKlerk wurde der neue Staatspräsident. Er kündigte den Abbau der Apartheid an und schaffte nacheinander die Apartheidsgesetze ab. Das Verbot vieler oppositioneller politischer Organisationen wurde aufgehoben. Am 11. Februar 1990 wurde Nelson Mandela nach 27 Jahren Haft entlassen. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen in den Townships waren damit aber nicht beendet und halten zum Teil bis zum heutigen Tag an.


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Chris Pinkenburg
Fri Aug 23 21:56:28 CST 1996